Abschied von Werner Kratzer als aktiver Musiker
Der 1. Vorsitzende Tobias Rauser und alle Musiker*innen müssen nun nach unfassbaren 69 Jahren aktiver Zugehörigkeit im Musikverein zukünftig leider auf einen äußerst fleißigen und zuverlässigen Probenbesucher verzichten, der auch immer für einen lustigen Spruch zur Auflockerung zu haben war.
Anlass genug mal etwas genauer auf das bewegte Musikerleben von unserem Werner zurückzublicken. Nach dem Maiwecken, wo wir auch dieses Jahr wieder zum Abschluss bei Werner auf
dem Kratzerhof zu Grillwürsten und Bier eingeladen waren, hatte ich die Gelegenheit mit Werner über seine musikalische Vita zu reden.
Werner wurde in Sandweier, einer kleinen Ortschaft bei Baden-Baden, geboren. Eben dort, in Baden-Baden war auch das damalige Südwestfunkorchester ansässig. Nach dem 2. Weltkrieg
wurde das Südwestfunkorchester jedoch aufgelöst, wodurch von heute auf morgen sämtliche Profimusiker mit leeren Taschen auf der Straße standen. Daher sind die Musiker in den umliegenden Gemeinden herumzogen, um ihre Dienste als Musiklehrer anzubieten. So kam es, dass eines Tages der damalige Soloposaunist Otto Heinl auf dem elterlichen Hof von Werner als Musiklehrer vorstellig wurde. Also lernten unser Werner und sein Bruder das Trompete spielen. Hierfür kam Otto Heinl immer zu Fuß zum Kratzerhof ins 8km weit gelegene Sandweier, und unterrichte die beiden Brüder. Für Brot uns Speck als Bezahlung! In der heutigen Zeit unvorstellbar.
Bereits nach zwei Jahren Unterricht konnte Werner dann schon in der Kapelle vom Musikverein Sandweier auf dem 1.Flügelhorn mitspielen. Später dann durfte er auch noch bei einer von seinem Lehrer Otto Heinl geleiteten Combo mitspielen, wo er vom dortigen Gitarristen auch noch das Gitarre spielen lernte.
Als nach seiner Lehre als Stahlbauschlosser keine Lehrlinge (so hießen damals die Auszubildenden!) übernommen wurden, hat sich Werner bei der Deutschen Bundesbahn Dampf in Karlsruhe
beworben, wo er auch eingestellt wurde. Aufgrund der Elektrifizierung der Bahnstrecke Karlsruhe-Frankfurt gab es dort jedoch bereits nach kurzer Zeit personelle Überkapazitäten. Daher
wurde Werner nach Radolfzell versetzt. Da gab‘ es noch Dampfloks, und Werner konnte dort als Heizer arbeiten. So war er mit der Dampflok von Radolfzell aus über den Schwarzwald unterwegs.
Und eben in unserer schönen Musikstadt Radolfzell gab es damals eine Eisenbahnerkapelle, der sich Werner anschloss und lange Jahre mitspielte. So entstand auch 1956 der Kontakt nach Markelfingen und zum MVM.
Auch im beruflichen Umfeld hat sich schnell herumgesprochen, dass Werner ordentlich anpacken kann. So kam es, dass Werner bei verschiedenen Höfen im Umland von Radolfzell beim Einbringen der Ernte mitgeholfen hat. Auch Alfred Dummel, der zu seiner Zeit Lokleiter in Radolfzell war und die Einteilung der Lokführer machte, hat bei Werner um Hilfe bei der Ernte angefragt. Hierbei lernte er dann seine jetzige Frau Irmgard kennen.
Musikalisch war Werner selbstverständlich auch noch rege unterwegs. Außer im MVM war Werner noch in etlichen anderen Formationen aktiv, u.a. ab 1968 ca.18 Jahre lang bei den Ländlerbuam, bis sich diese 1985 aufgelöst haben. Danach noch mit Alex Bührer, Didi Baumgärtner, Klaus Kache und Klaus Steckeler beim Bodensee Quintett und bis 2008 bei den Mindelseebubn und den Tigerstars.
Dass Werner musikalisch schon immer sehr flexibel war zeigte sich 1974, als unter dem Dirigenten Adolf Hurt zwei junge, aufstrebende Trompeter in den MVM kamen – Sohn Bernhard Kratzer und der aktuelle Dirigent Kuno Rauch. Da wurde Werner kurzerhand zum Tenorhorn beordert, was er bis zu seinem Abschiedskonzert 2024 hervorragend gespielt hat.
Der ganze Musikverein Markelfingen und alle Musiker*innen wünschen Werner weiterhin alles Gute bei hoffentlich bester Gesundheit.
Text: Tino Tag